Fachkonzept für Chöre, Verband und Politik

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Herausforderungen

Die Herausforderungen, vor denen die sächsische Chorlandschaft aktuell steht, sind immens! Um ein Chöre-Sterben vergleichbar mit dem in anderen Bundesländern zu verhindern, ist eine substantielle Verbesserung der finanziellen und strukturellen Möglichkeiten der Chöre dringend notwendig.

Es gilt also, die Überalterung und den Bevölkerungsrückgang anzunehmen, zu bewerten und das noch vorhandene bürgerschaftliche Engagement sowie die noch vorhandene chorische Infrastruktur in den betroffenen Gemeinden so zu nutzen, dass eine Wiedererstarkung der Chöre möglich wird.

Projekteindrücke

Die Arbeit mit den 24 Chören vor Ort macht deutlich, dass mit den richtigen Maßnahmen eine Vitalisierung der Chorlandschaft möglich ist. Es ist aber auch offenbar geworden, dass sich vielerorts Minderheiten in den Chören nicht genug Gehör verschaffen können, um nötige Veränderungen anzuschieben. Daher gehen wir im Fachkonzept auch auf unterstützende Maßnahmen des Verbandes ein. Die Analyse zeigt aber auch die Grenzen einer Verbandstätigkeit auf, wenn Politik und Verwaltung keine flankierenden Maßnahmen ergreifen.

Die Probleme vor Ort sind so groß, dass der sächsische Chorverband in seiner jetzigen Struktur, mit seinem aktuellen Budget und der einhergehenden Sach- und Personalausstattung keine reelle Chance hat, die Chorlandschaft eigenständig zu vitalisieren. Daher wird es auch um die Frage gehen müssen, was Politik und Verwaltung tun können.

Lösungskonzept

Das Fachkonzept hat 50 Seiten, welche in die Kapitel Struktur, Wissen, Modernität, Wertschätzung und Qualität eingeteilt sind. Wir nennen hier nur die wichtigsten Punkte. Um eine Zusammenfassung oder das gesamte Fachkonzept zu lesen, klicken Sie gerne auf die grünen Buttons weiter unten.

Strukturen verändern

Breitenförderung im Sport ist an die Mitgliederanzahl sowie an die Aktivität bzw. die Qualifikation der Übungsleiter:innen geknüpft. Diese Logik übertragen wir auf die Chorvereine.

Einen substantiellen Teil der Breitenförderung knüpfen wir an die Anzahl der Proben und Auftritte pro Jahr sowie an die Qualifikation der Chorleiter:innen. Zusätzlich schlagen wir zwei neue Funktionen für Musik und Neumitglieder im Vorstand vor. Für diese Rollen soll der Sächsische Chorverband zukünftig Übungsleiter-Seminaren anbieten. Dazu sollen entsprechende Arbeitskreise entstehen, die das Plenum eines Chores viel stärker als bisher einbeziehen. An diese Strukturveränderung knüpfen wir einen weiteren Anteil der Breitenförderung.

Ein typischer ländlicher Chor kann mit diesen beiden Komponenten eine jährliche Breitenförderung von 1.500 bis 2.000 Euro erwarten.

Zudem soll der Verband unter Beteiligung von 20 bis 30 Chören Großprojekte federführend umsetzen, um die Chöre in der Fläche direkt einzubinden und beispielgebend zu wirken. Wir schätzen, dass sich über eine verbesserte Projektförderung in den nächsten 3 bis 5 Jahren weitere 1.500 Euro pro Chor und Jahr generieren lassen. Dazu erhält der Verband zusätzliche Ressourcen.

Mit dieser Strukturveränderung möchten wir zwei Hauptziele verfolgen:

  1. Eine substantielle, planbare und sichere jährliche Förderung, die die Basis für ein aktives Chorleben bzw. eine verbesserte Bezahlung von Chorleiter:innen im ländlichen Raum schafft. Zusammen mit den eigenen Chorbeiträgen und Projektförderungen entsteht ein Finanzvolumen, welches

  2. Ein verbessertes Freiwilligen-Management in den Chorvereinen durch eine klarere Strukturierung und Verteilung von Aufgaben, so dass neue Mitglieder einfacher gewonnen werden können.

Dem sächsischen Chorverband wächst dann die Aufgabe zu, diese Breitenförderung zu organisieren und zu verteilen.

Gleichzeitig soll die Mitgliederbetreuung intensiviert werden, insbesondere ein Online-Mitgliederbereich aufgebaut werden, über den Ankündigungen, Wissensaustausch und gemeinsame Projektumsetzung organisiert werden. Der Verband könnte sich so zu einem wirkungsvollen Unterstützer der Vereinsarbeit vor Ort entwickeln.

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WISSEN AUSTAUSCHEN

Der Grad der Vernetzung der Chöre untereinander ist nicht hoch genug, als dass substanziell und systematisch Wissen und Erfahrungen ausgetauscht werden. Deshalb sind die meisten Chöre in der Fläche mit den gleichen Problemen konfrontiert (z.B. Überalterung, finanzielle Engpässe etc.), ohne dass gemeinsam nach Lösungen gesucht, diese ausprobiert und angewendet werden.

Daraus folgt, dass fundiert und zentralisiert Wissen vermittelt werden muss, um den Chören wirklich zu helfen. Ein Online-Mitgliederbereich kann hier einen ersten wichtigen Beitrag zur Vermittlung leisten. Doch die Vertiefung und der direkte Austausch mit anderen Chören muss in Form von Workshops und Fortbildungen erfolgen.

Um die Wichtigkeit dieses Austausches in Verbindlichkeit umzusetzen, koppeln wir die finanzielle Förderung eines Chores an die Teilnahme am Schulungsprogramm und an die Umsetzung von Rollen beziehungsweise Arbeitskreisen. So stellen wir gleichzeitig sicher, dass staatliche Gelder zielgerichtet dort eingesetzt werden, wo sich die Chancen für die Neumitglieder-Gewinnung erhöhen.

LANDESWEITE KAMPAGNEN & PROJEKTE

Es ist wichtig, dass die Chöre sich nicht in ihre eigenen Kreise zurückziehen, sondern innerhalb einer landesweiten Öffentlichkeitskampagne vermehrt und vor allem regelmäßig nach außen gehen. Mehr Projekte und Workshop-Formate sowie mehr Zugänglichkeit in der Chorarbeit sind Grundvoraussetzungen für eine erhöhte öffentliche Wahrnehmung.

Die Unterstützung der Chorleitung durch eine professionelle Stimmbildung verbessert den Chorklang und ist für Chöre mit hohem musikalischen Anspruch ein wichtiger Baustein zum Erfolg. Doch gerade für Chöre, die eine feste, gemütliche, langjährige Gemeinschaft bilden, bietet Stimmbildung eine ganz andere Wirkkraft: Stimmbildung ist dann der Beginn von Veränderungen, im Plenum, bei der Chorleitung und in der Gemeinschaft. Stimmbildung kann damit der Anstoß für eine wachsende Offenheit für neue Mitglieder sein.

Die fortwährende Aktualisierung des Repertoires in einem steten Ausgleich zwischen traditionellen Stücken und zeitgenössischen Erweiterungen stellt viele Chöre vor Herausforderungen. Die Impulse hierfür gehen in der Regel von der Chorleitung aus, sollten aber vom Chorvorstand unterstützt werden, damit das Plenum nicht mit Abwehr auf das Neue reagiert.

NOTEN & Komposition fördern

Der Kauf von Noten ist für Chöre überlebenswichtig. Um die vermehrte Herausgabe von begehrten Einzelausgaben durch Musikverlage indirekt zu fördern, sollen Chöre sich den Erwerb solcher Einzelausgaben zeitgenössischer Musik zu 50 Prozent erstatten lassen können. Es besteht ein Mangel an guten zeitgenössischen Stücken in deutscher Sprache, die auch für Chöre mittleren Niveaus singbar sind. An diese Tradition anknüpfend schlagen wir einen Kompositionswettbewerb für Laienchormusik vor.

WERTSCHÄTZUNG DEUTLICH MACHEN

Die Mitglieder im Ehrenamt investieren viel Zeit und Kraft in den Erhalt ihrer Chorgemeinschaften. Die mangelnde Anerkennung dieser Leistungen wird von vielen benannt und beklagt. Eine größere Wertschätzung durch das Land Sachsen ist angesichts der wichtigen sozialen Funktionen und der kulturellen Leistungen von Laienchören notwendig. Dies kann durch die Bereitstellung von Verwaltungsgebäuden als Proben- und Konzerträume, aber auch durch die Einladung von Chören zur musikalischen Umrahmung von Veranstaltungen von Politik und Verwaltung deutlich gemacht werden.

TANDEM-FÖRDERUNG

Da aller Voraussicht nach ein Viertel der sächsischen Chöre die Herausforderungen nicht mehr meistern kann, müssen Neugründungen das Sterben der jetzigen Ensembles auffangen. Wir schlagen ein Tandem-Projekt vor, das die enge Zusammenarbeit eines bestehenden Ensembles mit einem neu gegründeten finanziell unterstützt. Diese Projektförderung ist ein fundamentaler Baustein zur Vitalisierung der sächsischen Chorlandschaft.

Volumen in Zahlen

Das Fachkonzept hat mit allen seinen Maßnahmen und Forderungen ein Volumen von ca. 650.000 Euro pro Jahr und steigend, wenn die Chorlandschaft sich tatsächlich vitalisiert.

Davon fließen den Chören vor Ort direkt ca. 450.000 Euro zu, indirekt über die Organisation von Schulungen, Kampagnen und den Online-Mitgliederbereich nochmals rund 125.000 Euro. Nur ein kleiner restlicher Teil wird für zusätzliches zentrales Personal benötigt.

Fazit Chorverband

Um die Zukunft der Chorlandschaft zu sichern, ist es wichtig, die konzeptionellen Gedanken schnellstmöglich in die Praxis zu überführen und gemeinsam durch alle Akteure umzusetzen.

Das Präsidium des sächsischen Chorverbandes steht hinter den im Fachkonzept genannten Ansätzen und möchte an deren Umsetzung gemeinsam mit der Gesellschaft für Gemeinsinn e.V. und allen anderen dafür erforderlichen Partnern, Verbänden und Institutionen aus Politik und Verwaltung arbeiten.

WELCHEN EINFLUSS HATTE DER EINZELNE CHOR? 

Für Chöre, von Chören: jeder beteiligte Chor wirkte über direkte Mitsprache bei der Projektgestaltung und -umsetzung mit. Wir fanden mit den Chören und ihrem Verband zusammen Lösungen für die drängendsten Anliegen.

WIEVIEL ZEIT HABEN DIE CHÖRE INVESTIERT?

Wir erläuterten in ein oder zwei Besuchen vor Ort á zwei bis drei Stunden die empfohlenen Maßnahmen. Vor Ort passten wir diese den Gegebenheiten an. Die Maßnahmen waren so konzipiert, dass diese im Anschluss im Chor selbständig bzw. in Telefonabsprache mit dem Projektteam umgesetzt werden konnten. Von August 2018 bis Februar 2019 waren insgesamt 40 Stunden pro Chor einzusetzen. Die Aufgaben konnten im Chor frei verteilt werden und waren zeitlich flexibel umsetzbar.

WARUM BETEILIGTEN SICH DIE CHÖRE?

Gleichzeitig mit anderen Chören neue Lösungsansätze für die Herausforderungen des Chöre-Alltags zu erproben und direkt von einander zu lernen, war eine quasi einmalige Möglichkeit. Versierte Fachleute stellten kostenlos Know-how zur Verfügung, das die Gestaltung des eigenen Chorlebens nachhaltig zum Positiven verändern konnte.

Warum macht die Gesellschaft für Gemeinsinn so ein Projekt? 

Wir entwickeln in der gemeinsamen Arbeit mit den Chören sowie dem Verband neue Perspektiven und sind damit ein Sparringspartner für die Chöre vor Ort mit ihrer jeweiligen Tradition und Ausrichtung: zuhören, aufnehmen und gemeinsam neue Impulse setzen - darum geht es uns in jedem Projekt! 

Als Projekt im Rahmen des Landesförderprogramms „Demografie Sachsen“ wurde diese Maßnahme auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts aus Steuermitteln finanziert.